Wertschöpfung steht bei uns im Vordergrund

Diese Maxime teilen wohl auch die rund 180.000 Mitglieder der Volksbank Mittelhessen, die anders ihren Erfolg auch nicht realisieren könnte. Denn der Sprecher des Vorstands, Dr. Peter Hanker, leitet die mitgliederstärkste deutsche Volksbank und hat damit auch eine besondere Verantwortung. Mit einer Bilanzsumme von aktuell knapp unter 6 Mrd € gehört das Kreditinstitut auch in dieser Kategorie zu den kapitalkräftigsten und größten Volksbanken (Platz 3 hinter Berliner Volksbank und Frankfurter Volksbank). Weil man in Mittelhessen, nördlich des Rhein-Main-Gebiets, nicht gerade großstädtisch verankert ist, bezeichnet Hanker im Gespräch mit ’Bank intern’ das Institut als “Macht vom Lande“, was deren Stärke und Orientierung prägnant zusammenfaßt. Natürlich kommt es auch auf wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens an, doch angesichts der geschäftlichen Kennzahlen reklamiert Hanker zuvörderst die Verpflichtung, sich an den Mitgliedern auszurichten, “denn wir definieren uns nicht über die Größe“. 2010 war jedenfalls bereits ein ordentliches Geschäftsjahr: Die Bilanzsumme stieg um 115 Mio € auf 5,76 Mrd €, das Kreditvolumen lag bei rund 3,36 Mrd € und die Einlagen bei 4,56 Mrd €, die Mitglieder durften sich über eine Dividende von 7 % freuen. Dazu kamen gewissermaßen als Sahnehäubchen dann noch Auszeichnungen als einer der 100 besten Arbeitgeber in Deutschland sowie Zertifikate für die Qualität der Ausbildung, was auch den beratungsstarken Nachwuchs sichern hilft.

Für dieses Jahr ist Hanker ebenfalls verhalten optimistisch, derzeit liegt man beim Kreditgeschäft bei plus 3,3 %, bei den Einlagen verzeichnet man einen Zuwachs von 2 %: “Wir entwickeln uns auf der Passivseite zwar nicht so stark wie der Verbund, liegen mit dem Ergebnis aber noch im guten Bereich. Bei den Einlagen macht sich bemerkbar, daß wir, im Zuge unseres Standorts im Bereich der zwei Universitätsstädte Gießen und Marburg, eine konditionsaffine Kundschaft bedienen.Da machen Genossenschaftsbanken (und auch den Sparkassen) wohl noch die Kampfpreise staatlich gestützter Banken wie Commerzbank und ING-DiBa zu schaffen. Ansonsten wirken sich hier nach Hanker die Euro-Krise und die Entwicklung an den Kapitalmärkten wie die Spreadausweitung bei Pfandbriefen aus, heute sei die Situation insgesamt deutlich kritischer als noch im vergangenen Jahr. Was aber nicht zum Ergebnis beiträgt, ist die Eigenschaft als Mikrofinanzinstitut, die der Bank im Rahmen des Mikrokreditfonds Deutschland (laut Eigenwerbung verbessert die Bundesregierung für Kleinstunternehmen und Gründungen so den Zugang zu Kapital) seit diesem Jahr zukommt. Hankers lakonisches Fazit: “Wir wollten zwar eine Marktposition besetzen. Wirtschaftlich sind die Mikrokredite jedoch für uns noch unbedeutend.

Verbundpolitisch tut sich derzeit im Genossenschaftslager ja auch so einiges, wie etwa im Bereich der verbandspolitischen Interessenvertretung, wo ein Trend zu Untergruppierungen (wenn auch noch keine direkten Ausgründungen) die Gemüter bewegt (vgl. ’Bi’ 48/11). Dem erteilt Hanker mit Blick auf eine neue Interessengemeinschaft großer Volksbanken (zu denen sein Institut schließlich auch gehört) eine klare Absage: “Der Verbund kann in schwierigen Zeiten nach außen nur gemeinsam erfolgreich sein. Mit dem BVR haben wir eine starke Interessenvertretung. Präsident Uwe Fröhlich macht eine sehr gute Arbeit. Wir würden uns demgemäß an keiner Initiative beteiligen, die den BVR und seine Positionen schwächt.“ Im Gegenteil ist Hanker sogar der Ansicht, daß eigentlich der Zeitpunkt gekommen sei, auch die IG Genobanken aufzulösen. Zwar schätze er deren Arbeit und die Person des Bundessprechers Heinz Hüning (vgl. ’Bi’ 48/11), die  Vereinigung habe viel erreicht und sei früher in ein Vakuum gestoßen. Heute sei sie hingegen obsolet. Das dürfte der ein oder andere Vertreter der Interessengemeinschaft nicht gerne hören, doch ist der Kern der Stoßrichtung von Hankers Aussage sein klares Eintreten gegen Zersplitterung im Auftritt nach außen. Gegen Uneinheitlichkeit wendet sich der Vorstandssprecher auch an einer anderen Front: Die Zweiteilung bei den Rechenzentralen GAD und Fiducia, deren Fusion er (dabei ganz im Einklang mit dem BVR, vgl. ’Bi’ 48/11) nachdrücklich fordert. Alles andere koste den Verbund Millionen, die man andernfalls – etwa bei den zinstechnischen Kreditkonditionen – an die Kunden weiterreichen könne. Hier ist also Kompromißbereitschaft gefragt, die den Beteiligten im Verhandlungsprozeß offenbar abhanden gekommen ist. Da kommt dann zwangsläufig eine andere Lösung ins Spiel: “Man muß fragen, wer die Fusion hinbekommen kann, wenn es die handelnden Personen nicht können.“ Im Lichte des avisierten Zusammenschlusses kommt nach Meinung Hankers noch ein weiteres Thema zum Abschluß: “Mit der Fusion wären die Garmischer Beschlüsse von 1999 praktisch umgesetzt, die Agenda abgearbeitet.“ Wäre es dann Zeit für ’Garmisch II’ im Sinne Hans-Joachim Tonnelliers, Vorstandschef der Frankfurter Volksbank (vgl. ’Bi’ 43/11)? Dessen Thesen seien in vielerlei Hinsicht beachtenswert, findet Hanker, “ich hätte sie aber in dieser Form nicht veröffentlicht.“ Im übrigen sei aufgrund des Administrationsschubs durch die Regulatorik durchaus mit einer weiteren Fusionswelle zu rechnen, es gelte, die Reihen zu schließen: “Geschlossenheit ist wichtiger denn je, die Bedrohung sitzt in London und Brüssel.“ Für die Volksbank Mittelhessen sei jedoch ein weiteres Ausgreifen des Geschäftsgebiets in die Peripherie nicht geplant, “wir sind mit unserer Größe zufrieden und nicht bereit, für ökonomische Skaleneffekte den Charakter einer Genossenschaftsbank zu opfern.

Wenn Hanker schließlich den Blick noch auf die europäische Staatsschuldenkrise richtet, verfällt er nicht in den Pessimismus vieler Beobachter: “Die Euro-Krise ist ein heilsamer Schock, der dazu führen wird, daß wir die Situation meistern.“ Den Hebelmechanismus des EFSF sowie die übrigen Maßnahmenbündel hält er für richtig. Selbst die Gerüchte um den Streßtest-Ausfall der DZ BANK und ihren mutmaßlichen Kapitalbedarf in Höhe von 350 Mio € bringen Hanker nicht aus der Ruhe: “Selbst, wenn es so wäre, machen wir uns keine Sorge um die DZ BANK und halten die Lücke im genossenschaftlichen Verbund für problemlos schließbar.“ Auch bei der Mittelstandsfinanzierung drohe keine Gefahr. Man sei schließlich die mit am besten kapitalisierte Gruppe: “Eine Kreditklemme sehe ich nicht, solange es gesunde Volksbanken gibt.Da darf man hoffen, daß dieses Junktim Bestand hat.

’Bi’-Fazit: In Mittelhessen muß man sich um die Kreditgenossenschaften wohl keine Sorgen machen, das Feld ist bestellt und die Volksbank auf solidem Fundament. Was jedoch die wirtschaftliche Großwetterlage angeht, so ist weiterhin mit klimatischen Störungen zu rechnen – daß sie nicht in den ländlichen Bereich ausgreifen, ist Hankers Optimismus zum Trotz noch nicht ausgemacht, davon zeugt immerhin der Konditionenkampf, der im Kleinen nachvollzieht, was im Großen vorgegeben wurde. Bilanz gezogen wird im Januar 2012 – ob es dann noch ’Streß’ gibt oder nicht, wird letztlich auch in den Hauptstädten Europas entschieden.

Erschienen am 06.12.2011

Bank intern