Sicherheit ist wichtiger als die maximale Rendite

Beitrag aus der Zeitschrift "bank und markt"

Von Dr. Peter Hanker, Vorstandssprecher der Volksbank Mittelhessen eG, Gießen
 

Es ist ein schwieriger Job für die Wirtschaftsjournalisten: Sie sollen die Entwicklung der weltweiten Finanzmärkte möglichst zeitnah beschreiben und erklären, natürlich fachlich richtig und für die Leser der jeweiligen Zeitung verständlich. Dabei liegt der Schwerpunkt je nach Ausrichtung auf sachlicher Information oder düsterer Panikmache.
 

Refinanzierung über Kundeneinlagen

Nun waren die Ereignisse der letzten Wochen für manche Marktteilnehmer - und damit für deren Kunden - ein Höllentrip. Nicht so bei Genossenschaftsbanken: Sie haben zwar wie alle anderen auch mit den Auswirkungen der weltweiten Krise zu kämpfen, aber die Stabilität der regionalen Institute und die Sicherheit der Kundeneinlagen waren zu keiner Zeit gefährdet.

Dass sich die Kreditgenossenschaften als stabile Säule im deutschen Bankensystem bewährt haben, liegt an ihrer einzigartigen Struktur und ihrem Selbstverständnis. Der Unternehmenszweck einer Volksbank oder Raiffeisenbank ist die Förderung der Mitglieder. Riskante Spekulationen ließen sich mit genossenschaftlicher Verantwortung also kaum vereinbaren, zumal die Mitglieder gleichzeitig Teilhaber und Kunden der Bank sind. Darüber hinaus verfügen die Kreditgenossenschaften über eine robuste Einlagenseite und sind deshalb nicht auf die Refinanzierung über den Kapitalmarkt angewiesen.

Zum anderen - und das ist gerade jetzt erwähnenswert - verfügen sie schon seit rund 80 Jahren über eine beispielhafte Sicherungseinrichtung, die weit über den vom Gesetz geforderten Rahmen hinausgeht. Das heißt: Sämtliche Kundeneinlagen einschließlich der Inhaberschuldverschreibungen sind vor Teil- oder Komplettverlusten hundertprozentig geschützt; die Insolvenz einer Volksbank oder Raiffeisenbank ist faktisch ausgeschlossen.
 

Bisher wenig Interesse an Einlagensicherung

Gut zu wissen - wobei sich bis vor wenigen Wochen nur wenige für das Thema Einlagenschutz interessierten. Das hat sich mittlerweile ins Gegenteil verkehrt. Kein Tag vergeht ohne provokante Pressemeldungen, neue Szenarien, Versprechungen und mehr oder weniger seriöse Kommentare, die für Laien meist nicht nachvollziehbar sind. Den meisten Menschen macht dies verständlicherweise Angst.

Während der „heißen Phase" bekam das auch die Volksbank Mittelhessen zu spüren. Es gab sehr viele schriftliche und persönliche Nachfragen von Kunden, ob ihr Geld bei uns auch wirklich sicher aufgehoben sei. Dies konnten wir ganz klar ohne Wenn und Aber bestätigen: Alle Kundeneinlagen sind über die Sicherungseinrichtung des BVR in unbegrenzter Höhe zu 100 Prozent abgesichert.
 

Keine Vereinheitlichung der Sicherungssysteme

Wir haben festgestellt, dass die Spareinlagen angesichts der Finanzmarktkrise eine regelrechte Renaissance erleben. Gold ist als Anlageform wieder sehr begehrt. Diese und andere Erfahrungen der letzten Tage und Wochen deuten darauf hin, dass sich die Prioritäten spürbar verschoben haben: Sicherheit ist wichtiger als eine möglichst hohe Rendite. Und noch etwas fällt auf. Kunden anderer Banken bringen ihr Erspartes zu unserer Volksbank. Sicherheitshalber?

Vermutlich spielt der Faktor der Sicherheit dabei eine sehr große Rolle. Aber es scheint so, als würden die Menschen auch sorgfältiger und kritischer überlegen, wem sie ihr Geld anvertrauen. Falls dem so ist, kann ich das nur begrüßen. Nicht nur, weil unsere Volksbank dadurch neue Kunden gewinnt, sondern generell. Gegebenheiten zu hinterfragen und Wertigkeiten auf den Prüfstand zu stellen beziehungsweise neu zu ordnen, kann nur von Vorteil sein. Für die Wirtschaft insgesamt - und für die Finanzwirtschaft erst recht.

Inzwischen hat die Bundesregierung in Windeseile ein tiefgreifendes Maßnahmenpaket zur Stabilisierung der Finanzmärkte auf den Weg gebracht. Darüber hinaus sollen noch in diesem Jahr Vorschläge entwickelt werden, um die gesetzliche Einlagensicherung zu verbessern. Ein diesbezüglicher Richtlinienentwurf der EU-Kommission liegt bereits vor.

Vorabmeldungen, dass die Sicherungssysteme der Bankengruppen in Deutschland vereinheitlicht werden sollten, stießen sowohl beim Deutschen Sparkassen- und Giroverband als auch beim Bundesverband der Volksbanken und Raiffeisenbanken auf strikten Widerspruch. Aus gutem Grund: An der genossenschaftlichen Sicherungseinrichtung kann nichts verbessert werden, weil sie in Bezug auf Stabilität und Effizienz allerhöchsten Ansprüchen genügt.
 

Die ganze Branche im Verruf

Würden die Systeme vereinheitlicht, müssten die Kreditgenossenschaften für solche Bankengruppen mit haften, deren Geschäftspolitik der genossenschaftlichen Mentalität zum Teil widerspricht. Mit anderen Worten: Sie hätten im Ernstfall die Fehler auszubügeln, die aus reinem Gewinnstreben resultieren. Eine fragwürdige Lösung, um die Stabilität des Finanzmarktes nachhaltig sicherzustellen. Und eine „Bestrafung" für die Gremien und Mitglieder der Volksbanken und Raiffeisenbanken, die aus Überzeugung anderen Kriterien den Vorzug geben.

Schon heute leiden die Kreditgenossenschaften unter den Auswirkungen einer Krise, die andere verursacht haben. Die Volksbank Mittelhessen war beispielsweise zu keiner Zeit in riskante Subprime-Aktivitäten verwickelt. Trotzdem müssen wir damit klarkommen, dass zum einen die gesamte Branche in Verruf geraten ist und zum anderen die Kurse für Aktien, Fonds, Pfandbriefe zeitweise in den Keller rutschen und die Bilanzzahlen belasten.
 

Überschaubare Geschäfte tätigen

Ich hoffe und wünsche, dass alles getan wird, um die Finanzmärkte wieder in geordnete Bahnen zu führen und leichtfertig verspieltes Vertrauen zurückzugewinnen. Aber bitte mit Weitsicht und Verantwortung - und nicht auf Kosten derer, die das Dilemma weder verursacht noch begünstigt haben.

Ungeachtet der politischen Entscheidungen werden wir konsequent an unserer regionalen mitgliederorientierten Ausrichtung festhalten: Wir machen Geschäfte, die überschaubar sind - mit Menschen und Unternehmen, die wir kennen. Daraus resultiert ein gesundes und stabiles Wachstum, von dem Kunden und Bank und damit die regionale Wirtschaft gleichermaßen profitieren. Diese Politik bewährt sich nun schon seit 150 Jahren. Sie wird aus eigener Kraft auch künftige Turbulenzen unbeschadet überstehen.

Erschienen am 01.11.2008

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