Happy Birthday, Bürgerstiftungen!

100 Jahre Bürgerstiftungen weltweit - ein Erfolgsmodell auch bei uns

Ein Bankier und Rechtsanwalt hatte vor 100 Jahren eine brillante Idee: Frederick Goff gründete die erste Bürgerstiftung der Welt in Cleveland in den USA. Die Idee einer Stiftung von Bürgern für Bürger hat sich mittlerweile rasant verbreitet.

Deutschland ist nach den USA das Land mit den meisten Bürgerstiftungen. In 350 Bürgerstiftungen sind Stifter, Spender oder Ehrenamtliche aktiv. Sie engagieren sich mit Geld, Zeit oder Ideen: für die Stadt oder Region, in der sie leben. Für Bildung und gute Nachbarschaften, für Kultur und Umwelt.

Genossenschaftsbanken engagiert für Bürgerstiftungen
Bundesweit profitieren aktuell mehr als vier von fünf Bürgerstiftungen (84 Prozent) vom Engagement ihrer örtlichen Genossenschaftsbank. Von Genossenschaftsbanken geht häufig die Gründung einer Bürgerstiftung aus oder sie sind einer von mehreren Gründungsstiftern. Oft beteiligen sie sich als Förderer, beispielsweise finanziell mit Zustiftungen oder Spenden. Sie unterstützen Projekte oder sie engagieren sich mit Sachspenden, mit dem freiwilligen Einsatz ihrer Mitarbeiter, ihrem lokalen Know-how und ihrem Netzwerk aus Firmen- und Privatkunden.

Als Kompetenzzentrum für Bürgerengagement der genossenschaftlichen FinanzGruppe unterstützt die Aktive Bürgerschaft die Volksbanken und Raiffeisenbanken bei der Gründung von Bürgerstiftungen und deren Arbeit. Nähere Informationen beim Autor.

Bürgerstiftung Mittelhessen
Ein Beispiel gibt die Bürgerstiftung Mittelhessen. Auf Initiative der Volksbank Mittelhessen wurde sie gemeinsam mit einigen Bürgern für die Region Mittelhessen vor zehn Jahren gegründet. "Menschen verbinden - Zukunft gestalten" lautet das Motto der Bürgerstiflung mit Sitz in Gießen. In ihrem Gebiet leben mehr als eine Million Menschen, die sich mit der Stiftung für ihre Region engagieren können. Einer von ihnen ist Dr. Frank Wagner. Im Jahr 2005 hat er die Partnerstiftung "Hallo Welt" bei der Bürgerstiftung Mittelhessen ins Leben gerufen.

"Da öffneten sich Türen!"
Die Stiftung "Hallo Welt" bietet jungen Eltern in den ersten Monaten nach der Geburt eines Kindes Informationen und Begleitung. "Die Idee zu meiner Stiftung ,Hallo Welt' ist in meiner täglichen Arbeit entstanden", sagt Dr. Frank Wagner. "Ich bin Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und stelle immer wieder fest, dass junge Familien mehr brauchen als die medizinische Hilfe, die ich beruflich leisten kann. Gerade in den ersten gemeinsamen Wochen passiert viel Entscheidendes in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern! Deshalb habe ich nach Mitstreitern gesucht, um ein Netzwerk mit Hilfsangeboten für diese erste Phase nach einer Geburt zu gründen. Daran haben sich Jugendämter der Region Gießen, Hilfsorganisationen, medizinische Einrichtungen und viele weitere Institutionen beteiligt. Die Bürgerstiftung Mittelhessen brachte mich dann auf die Idee, eine Partnerstiftung unter ihrem Dach zu gründen.

Der Vorteil ist nicht nur, dass ich die Verwaltung meiner Stiftung der Bürgerstiftung überlassen und mich selbst der inhaltlichen Arbeit widmen kann - wir haben schon mehr als 400 Familien besucht und zum Teil betreut und möchten noch viel mehr erreichen. Sondern die Bürgerstiftung hat mir auch die Türen zu ihren Netzwerken geöffnet. Da treffe ich andere Stiftungen, Sponsoren, Unternehmer und wichtige Multiplikatoren. Diesen Zugang hätten wir sonst nicht so leicht bekommen." Die Stiftung „Hallo Welt" arbeitet zurzeit mit knapp 50 ehrenamtlichen Botschaftern zusammen.

Drei Fragen an ... Dr. Peter Hanker, Vorstandssprecher der Volksbank Mittelhessen eG

Warum engagiert sich Ihre Volksbank für die Bürgerstiftung?
„Eine Bürgerstiftung verkörpert viele genossenschaftliche Werte. Das Kernelement ist das gleiche Demokratieverständnis wie im Genossenschaftswesen, die Selbstverwaltung und Selbstverantwortung und natürlich getreu dem genossenschaftlichen Prinzip, 'Hilfe zur Selbsthilfe', andere zur Hilfe zu aktivieren. Die Volksbank Mittelhessen unterstützt die Bürgerstiftungen in ihrer Region, diese entsprechen alle den zehn Merkmalen für eine Bürgerstiftung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen. Damit ist gewährleistet, dass genau solche Prinzipien wie Selbstverantwortung und Selbstverwaltung gewahrt werden und für die Stifter, Spender und die Begünstigten eine echte Win-win-Situation entsteht. Damit helfen wir den Bürgerstiftungen in Mittelhessen, ein wichtiger Partner des Gemeinwohls zu werden."

Was bewirkt die Bürgerstiftung in der Region?
„Viel Gutes. Bürgerstiftungen unterstützen das Bürgerengagement und die regionalen Vereine in vorbildlicher, gemeinnütziger Funktion vor Ort. Dies geschieht im Übrigen nicht nur monetär, das heißt durch Spenden, sondern vielfach auch dadurch, dass sich die verantwortlichen Vorstände und Kuratoren der Bürgerstiftung mit einzelnen Projekten vor Ort auseinandersetzen, ihre Ideen einbringen und sehr oft mit Know-how und tatkräftiger Mithilfe bereichern.

In diesem Sinne wurde das Projekt 'Ehrenamt-Preis für Jugendliche' von der Bürgerstiftung Mittelhessen ins Leben gerufen. Viele junge Menschen engagieren sich ehrenamtlich und freiwillig in Vereinen, Kirchen und sozialen Einrichtungen. Die Bürgerstiftung Mittelhessen will mit ihrem EhrenamtPreis diesen Jugendlichen Anerkennung und Respekt erweisen und auf ihren ehrenamtlichen Einsatz aufmerksam machen. Der Preis wird an Jugendliche vergeben, die in besonderer Weise ehrenamtliches Engagement gezeigt, in Notlagen geholfen und Verantwortung übernommen haben"

Was hat die Volksbank von diesem Engagement?
„Als genossenschaftliche Bank haben wir ein ureigenes Interesse daran, dass es den Menschen und der Wirtschaft in unserer Region gut geht. Mit der Unterstützung der mittelhessischen Bürgerstiftungen engagieren wir uns nachhaltig und langfristig und mit genossenschaftlicher Handschrift vor Ort. Wir unterstützen das Gemeinwesen in der Region, in der wir selbst als genossenschaftliche Volksbank aktiv sind. Mir wäre es ein persönliches Anliegen, dass es uns gelingt, für jede Stadt oder Region, mithilfe der Volksbanken und Raiffeisenbanken, eine Bürgerstiftung zu etablieren. Damit können alle genossenschaftlichen Banken mit einem modernen und innovativen Konzept Flagge im Stiftungsbereich zeigen und äußerst effizient, aber sehr nachhaltig viel Gutes tun."

Partner für eigene Stiftung
Jede dritte Bürgerstiftung verwaltet heute weitere Partnerstiftungen, denen der Stifter einen eigenen Namen und Zweck geben kann. Gerade in Zeiten der Finanzkrise wählen Bürger, Unternehmen und andere Institutionen verstärkt Bürgerstiftungen als Partner, um eine eigene Stiftung zu gründen. Sie haben den Bürgerstiftungen bereits 530 Stiftungsfonds und Treuhandstiftungen mit einem Gesamtvermögen von 82 Mio. Euro anvertraut, das sind doppelt so viele wie noch vor fünf Jahren. Damit liegen 35 Prozent des gesamten Stiftungskapitals der Bürgerstiftungen schon heute in Stiftungsfonds oder Treuhandstiftungen (Länderspiegel Bürgerstiftungen, Aktive Bürgerschaft 2013) - Tendenz steigend.

 

Quelle

netzwerk - Magazin für Kooperation & Management Genossenschaftsverband e.V. (3/2014)

Autor

Dr. Stefan Nährlich, Geschäftsführer Aktive Bürgerschaft, Kompetenzzentrum für Bürgerengagement der genossenschaftlichen FinanzGruppe Volksbanken Raiffeisenbanken

Tel. 030 / 24 00 088-0
stefan.naehrlich@aktive-buergerschaft.de

(Fotos: Katja Bäumler, Andreas Bender, Kai Bienert)