KREIS GIESSEN (cvg). Marburg-Biedenkopf hat ihn: Den Potenzialrechner für die Erneuerbaren. Im Landkreis Gießen und den anderen mittelhessischen Landkreisen muss man sich noch ein wenig gedulden: Wer wissen will, welches Potenzial an alternativen, sprich erneuerbaren Energien in seiner Kommune steckt, soll sich künftig darüber online direkt im Internet mit dem sogenannten Potenzialrechner informieren können.
Vorgestellt wurden der Rechner und die Plattform Energie-Portal Mittelhessen in einem vormittagfüllenden Programm im Rechtenbacher Bürgerhaus. Das Regierungspräsidium (RP) Gießen hatte die Mitglieder der mittelhessischen Regionalversammlung zur zweiten Fachveranstaltung unter Motto "Mittelhessen ist voller Energie" eingeladen. Die Vorstellung des Portals und des Rechners bildeten den Abschluss eines mit Informationen dicht gepackten Vormittags für Bürgermeister, Behördenvertreter und einschlägiger Fachverbände aus Mittelhessen.
Welcher Bogen vom technisch Machbaren bis zu dem, was sich angesichts von Widerständen in der Bevölkerung oder schlichten raumordnerischen Vorgaben tatsächlich umsetzen lässt, wurde deutlich, als die Frankfurter Fachhochschul-Professorin Martina Klärle die Ergebnisse einer Studie vorstellte, die sie im Auftrag des RP Gießen über das Potenzial erneuerbarer Energien angefertigt hatte. Die ersten Ergebnisse lägen inzwischen für den Landkreis Marburg-Biedenkopf vor. Im nächsten Jahr sollen dann die anderen Landkreise und Kommunen spätestens bis zum 1. März Potenzialkarten haben. Bereits am 10. Februar soll der Potenzialrechner für alle 110 mittelhessischen Kommunen bereit stehen.
Die Idee für den Rechner und das Portal hatte das Gießener IT-Haus Sylphen umgesetzt. Wie RP-Sprecherin Gabriele Fischer am Rande der Veranstaltung erklärte, seien sowohl die Studie wie auch das Portal ausnahmslos aus Mitteln des RP finanziert worden.
Dass der Schwenk von den bisher klassischen fossilen Energieträgern und der Atomkraft kein Prozess sei, der in wenigen Wochen abgeschlossen wäre, sondern man gerade erst am Anfang stehe, hob der Gießener RP Dr. Lars Witteck hervor, der gleichzeitig die Veranstaltung moderierte. Gleichzeitig warnte Witteck davor, dass Mittelhessen und Nordhessen quasi zur Aufffangstation für die energiehungrige Rhein-Main-Region werde, sprich, dass die heimischen Landschaft nach und nach durch Windräder dominiert oder nachhaltigt durch andere Folgen der Umsetzung erneuerbarer Energien geprägt werde. Gleichwohl stelle die Windkraft neben Biomasse und Solarkraft für den mittelhessischen Raum eine der wichtigen Quellen dar, um das Ziel zu erreichen, bis 2020 mindestens 30 Prozent der Energie auf die Erneuerbaren umzustellen.
Wie sehr hier technisch Machbares und in der Wirklichkeit tatsächlich Umsetzbares auseinanderklaffen, wurde während des Vortrags Klärles und ihrer anschließenden Aufforderung an den Weimarer Bürgenmeister Peter Eidam, selber das Potenzial für Windenergie zu errechnen, klar.
Dr. Natalie Scheck stellte für das hessische Wirtschaftsministerium künftige Perspektiven vor, die sich aus den Ergebnissen des hessischen Energiegipfels ergäben. Der Marburg-Biedenkopfer Landrat Robert Fischbach, als Präsident des Hessischen Landkreistags und Mitglied der Kontroll-Kommision, kennzeichnete in dem Zusammenhang Positionen, mit denen die Kreise und
Kommunen nicht einverstanden seien. So sollen sich so genannte Dritte, wenn es um Projekte auf kommunaler Ebene gehe, notfalls einklagen können. Juristisch geht es dabei um den Bestandsschutz der Energieversorger.
Im Rahmen der Veranstaltung präsentierte der Kasseler Diplomingenieur Armin Raatz, Geschäftsführer der Mut-Energiesysteme, Möglichkeiten regionaler Wertschöpfung bei Erneuerbaren Energien, während Dr. Peter Hanker, Vorstandssprecher der Volksbank Mittelhessen, Finanzierungsmodelle rund um Erneuerbaren vorstellte.
Erschienen am 21.11.2011, Gießener Anzeiger